Bloggeschichte 12 – Kapitel IX – Jörg

„Junge Mann, wo biste Alter?“ ranzt mich ein sichtlich angepisster Fabian vom Ende der anderen Leitung an. „Na am See, ich hab dir doch die SMS geschrieben.“ „Ja den See an dem du bist den würd ich gerne sehen, schön verarscht haste ich. Da renn ich wegen dir aus der Disco und lass die Olle stehen, du glaubst doch nicht das die mich so wie ich aussehe da wieder reinlassen, und jetzt steh ich hier in der Butnik. Ich hätte es gleich wissen sollen, zwei Schwedinnen pah, nur weil du dir wieder n Korb eingefangen hast, bist du jetzt der Meinung mir auch noch meinen Abend versauen zu müssen. Aber ich bin ja selber Schuld…2 Schwedinnen Pah…du brauchst dich die Tage erst mal nicht bei mir zu melden!“ Er legt auf.
Noomi und ihre Cousine schauen mich etwas irritiert an, und es wundert mich wenig, da doch mein Gesicht wahrscheinlich wie jedesmal den Gesprächsverlauf wiedergegeben hat, als hätte jemand daneben gestanden und es in Gebärdensprache übersetzt.

„Alles gut?“ fragt Noomi und als ich entgegne Fabian würde nicht mehr kommen beschleicht mich das Gefühl für einen kurzen Moment ein diebisches Grinsen auf ihrem Gesicht erkannt zu haben.

„Lass uns schwimmen gehen, es ist so ein perfekter Sommerabend.“ Sie lächelte mich an und ich war zusehends paralysiert. Passierte das alles wirklich? Und während ich noch meinen verwirrten Gedanken nachhing sah ich nur wie Noomi und ihre Cousine schon lachend die Böschung zum Wasser hinab liefen und sich dabei in vollem Lauf so elegant ihrer Kleidung entledigten, dass ich meinen Blick nicht von diesem Schauspiel lösen konnte. Als sie schließlich ins Wasser sprangen, lachten und nach mir riefen erwachte endlich auch ich aus meinem Traum, der offensichtlich keiner war, sprang auf und rannte ebenfalls zum Wasser, nur vergaß ich vor lauter Aufregung mich auszuziehen und klatschte so mit all meine Sachen ins Wasser, das sich immer noch angenehm warm anfühlte.

Sie lächelte mich an.

Und während ich damit beschäftigt war, mich in ihren wunderschönen Augen zu verlieren, wurde ihr Lächeln breiter, sie legte ihre Arme um meinen Hals, sprang in meine Arme und küsste mich während ich dabei das Gleichgewicht verlor und wir so zusammen in die Fluten stürzten. Ich glaube diese 3 Sekunden bis sich unsere Lippen lösten gehören zu den unglaublichsten Momenten meines Lebens.

Als wir uns wieder aufrichten steht Meja vor mir, sie war am Strand gewesen und hält nun eine Flasche Rum in der einen und einen rauchenden Joint in der anderen Hand. Sie nimmt einen tiefen Zug, küsst mich und füllt meine Lungen mit Rauch.

Sonnenlicht kitzelt meine Lider und ich spüre eine zärtliche Zunge an meinem Ohr, langsam setzten sich die Splitter der letzten Nacht zu einem Mosaik zusammen, welches allerdings dringend restauriert werden müsste. Ein Lächeln umspielt mein Gesicht, doch ich öffne meine Augen nicht. Ich will die Bilder festhalten. Und den ganzen Abend noch einmal durchleben, bis auf das Kotzen vielleicht.

Die Zunge ist mittlerweile an meine Stirn gewandert und liefert ein Argument gegen Zungenküsse am Morgen nach einer versoffenen Nacht, dennoch öffne ich meine Augen voller Zärtlichkeit und blicke in die treuherzigen Augen eines 100 Pfund schweren Rottweilers. Ich weiche erschrocken zurück und höre wie die Stimme eines pöbelnden Rentners durch die Schleier zu mir durchdringen. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich nackt bin und aus einer warmen Sommernacht ein kalter Morgen geworden ist. Die Kopfschmerzen setzten ein und mit ihnen die so altbekannte Frage warum ich mir und meinem Körper dieses Gefühl am Morgen angetan habe.

Ich lasse den Abend Revue passieren und zum ersten mal nach all den Jahren weiß ich warum.

Ich lächle, stehe auf, bedecke meine Scham und gehe nach Hause.

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Still

Das laute Dröhnen einer Autohupe riss ihn aus seinem Tagtraum. Die Ampel war bereits grün. Fragt sich wie lange schon. Er schaltete in den ersten Gang und mit einem leichten Ruckeln bewegten sich die Räder und trugen die alte Blechschüssel weiter vorwärts. Ein leichter Regenschauer erschwerte die Sicht durch die dunkle Nacht. Neonhelle Farben spiegelten sich in unzähligen Pfützen und die Lichter des Verkehrs zogen einen langen bunten Schweif hinter sich her. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er bereits knapp drei Stunden unterwegs sei. Die Tanknadel rotierte und machte durch zittrige Bewegungen auf sich aufmerksam. Es würde noch für den Rückweg reichen.

An der nächsten Ampel zündete er sich eine Zigarette an, atmete tief ein und spuckte den feurigen und gleichzeitig beruhigenden Rauch wieder aus seinen Lungen. Seine Finger tippten mit leichten Schlägen zu den Beats der Musik auf dem Lenkrad herum. Neben ihm hielt ein Wagen. Durch die nassen Fensterscheiben, an denen die Regentropfen ein Wettrennen auf Zeit veranstalteten, erkannte er ein vertrautes Gesicht. Sie trug ihr Haar offen, so wie er es liebte. Ihr Lächeln war das bezauberndste, was er je in seinem Leben gesehen hat. Ihre blauen Augen funkelten wie glänzende Kristalle in der Dunkelheit der Nacht. Beide starrten sich tief in die Augen und lachten mit puren Emotionen, während die Motoren ihrer Autos aufheulten. Die Ampel schaltete auf grün und beide rasten los. Die Dame seines Herzens beschleunigte und wechselte die Spur, sodass sie vor plötzlich ihm fuhr. Ein Stechender Schmerz an seinem Finger riss ihn erneut aus seinen Träumen. Die Glut seiner Zigarette war bis auf den Filter heruntergebrannt – Das Auto vor ihm war spurlos in der Nacht verschwunden, die Straßen plötzlich völlig frei.

Der Schlüssel glitt ins Schloss und die Tür sprang mit einem leichten Knarren auf. Ohne den Lichtschalter zu betätigen ging er nach dem Schließen der Tür den Flur entlang und blieb inmitten der Dunkelheit stehen. Stille –

So still, das alle Uhren schwiegen,
ja, die Zeit kam zum erliegen,
so still und so verloren gingst du fort,
so still und so verloren gingst du fort.

Ich hab so viel gehört und doch kommt‘s niemals bei mir an,
das ist der Grund warum ich Nachts nicht schlafen kann,
wenn ich auch tausend Lieder vom Vermissen schreib,
heißt das noch nicht das ich versteh,
warum dieses Gefühl für immer bleibt.

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Sie sieht es nicht

Während sie spricht, bilden sich die Wörter in ihre Silben zurück und ergeben ein harmonisches Klangkonstrukt das meinen Puls steigen lässt. Irationalität macht sich breit. Die Bedeutung ihrer Worte verliert für mich in dieser Sekunde an Bedeutung und tritt hinter die Tatsache das sie redet, mit mir redet, zurück. Ich will ihr die Problematik, meine Problematik, die Problematik der Situation, das Verhängnisvolle erklären – aber ich kann es nicht.

Ich will sie in den Arm nehmen, einfach da sein. Sie halten, sie schützen, ein Lächeln auf ihre Lippen zaubern. Immer und immer wieder. Einfach die Welt vergessen – nur wir zwei. Kein Morgen, kein Gestern, nur das Hier und Jetzt. Während ich weiter träume, reißen mich ihre letzten Worte schlagartig zurück in die verregnete Realität dieser Nacht.

Wir sollten schlafen gehen, es ist schon spät. Obwohl meine Wohnung nur zwei Straßen weiter liegt, lasse ich sie nach Hause fahren. Fast viermal soweit. Während sie auf dem Fahrrad davon fährt, sehe ich ihrem vom Wind verspielten Haar hinterher. Sie sieht es nicht.

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[Review] Nick und Nora – Soundtrack einer Nacht

Nick ist Gitarrist und Drummer, letzeres zumindest so halb. Nach sechs Monaten fand seine Ex-Freundin Trish das wohl irgendwie nicht mehr so anziehend. Sie hat Schluss gemacht, hat ihn eh nur betrogen. Das liegt nun schon einen Monat und unzählige “letzte” Mixtapes zurück. Aber heute Abend spielen “Where is Fluffy?” irgendwo in Manhatten und die Zusammenhänge mit diesem Konzert sollten Nicks Leben verändern. Oh und das von Nora natürlich auch.

Michael Cera spielt in diesem großartigen Indiefilm den Nick. Nick hat eigentlich keine Probleme. Außer Beziehungen. Tortzdem. Frauen mögen ihn, Kerle auch. Gut einige davon sind schwul. Zum Beispiel seine Bandkollegen, aber das sollte seinem Charme, als gefühlvoller Musiker keinen Abbruch tun. Nach einem mehr oder weniger erfolgreich absolvierten Konzert, ergibt es sich das Nick auf Nora trifft. Zusammen begeben sie sich auf die Suche nach dem Konzert von “Where is Fluffy?” Den Rest der Geschichte solltet ihr selber sehen. Aber soviel sei gesagt, der Film ist groß. Wer Michael Cera nicht mag, soll den Film trotzdem gucken. Danach mag man ihn. Oder zumindest den Soundtrack.

Der Soundtrack ist wie der Titel schon vermuten lässt ein integraler Bestandteil dieser in New York angesiedelten Teeniekomödie. Neben Bands wie “The Submariners”, “We are Scientists” oder der “Band of Horses” steuerten auch “Richard Hawley” und “Paul Tiernan” Lieder zu diesem großartigen 60 Minuten Sampler bei. Das “Main Theme” des Filmes wurde von “Mark Motherbaugh” komponiert und könnte bei mir auf Dauerrotation laufen, wenn nicht alle Lieder so gut wären. Die CD hat schon fast „Gardenstate“ Charakter. Viele der Bands haben mir vorher nichts gesagt, aber ich bin froh von ihnen gehört zuhaben. Solltet ihr auch, sofern ihr auf Indiemusik steht. Leider werden aber nicht alle Songs aus dem Film auf der CD gefeatured. Die grandiose Version von “Ten Naked Christmas Gays” war schon eine ganz spezielle Nummer.

Peter Sollett verfilmte mit Nick and Norah’s Infinite Playlist bereits im Jahre 2008 den gleichnamigen Roman von Rachel Cohn. Neben Michael Cera spielen unter Anderen Kat Dennings als Nora und Alexis Dziena (die ja echt mal aussieht wie ein Ohlsen Twin) als Trish mit. Kleiner Einwurf für alle die “The Perfect Score” kennen: Roy ist hier nicht als schwules Bandmitglied unterwegs. Der Typ sieht nur genauso aus. Also nichts da mit Leonardo Nam, der Typ heißt Aaron Yoo.

Mir bleibt nicht mehr zusagen als ganz ganz ganz großes Independentkino! Achja und Trailer:

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