This town kills you when you’re young

This Town kills you when your young

Wenn der Himmel gnädig war und nicht zu viele Wolken herumschubste, sah man die Spiegelungen der Sonne in den Glasfassaden der Innenstadt bereits 30 Minuten bevor man die Stadtgrenze überquerte. Riesige Finger aus Stahl und Glas, die anmuteten wie eine greifende Hand, wirkten von Weitem, als wollten sie sich im Himmel fest krallen um die Stadt Stück für Stück in die Wolken zu heben. Wenn die Menschheit es schon nicht schaffte einen Turm bis in den Himmel zu bauen, muss man halt den Himmel auf die Erde holen. Monumentalismus als letzte Bastion des grenzenlosen Wahn nach Überheblichkeit.

Was von Weitem noch erhaben und mächtig, ja fast dominant wirkte, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein Mahnmal an längst vergangene Zeiten. Das Glas welches früher jeden einzelnen Finger wie ein Spinnennetz umspannte, lag jetzt als Splitterteppich in den untersten Stockwerken und tauchte die Adern aus blankem Stahl und nacktem, kalten Beton in ein gespenstisches Lichtermeer. Vereinzelt fand man noch verrottetes und zerschlagenes Mobiliar der ehemaligen Arbeitgeber in den sonst leeren Hallen der Großraumbüros. Tagsüber ein Paradies für Fotografen, war es ab den Abendstunden Zufluchtsort für die perspektivlose Jugend einer heruntergekommenen Stadt irgendwo im Nirgendwo.

Wie jeder in dieser Stadt war er zwischen zugezimmerten und wieder aufgebrochenen Betonschluchten und immer gefüllten Eckkneipen groß geworden. Leben hieß für ihn in der Bar um die Ecke Tequila stürzen und hin und wieder mit einem Barhocker auf andere Gäste losgehen. Er hatte es nicht anders gelernt. Arbeiten war für die Jugend ein Fremdwort gewesen. Man tat das nötigste um irgendwie an Geld zukommen aber verbrachte den Tag lieber damit sich zu betrinken, zu pöbeln und in Gebäude einzubrechen an denen gewarnt wurde das die Bausubstanz marode und das Betreten strickt untersagt war. Aber was kümmerten schon die verrosteten Schilder an kaputten Zäunen, wenn man wusste das es sowieso keiner kontrollieren würde.

So hatten sie auch an diesem Sommerabend, als alle Kneipen längst überfüllt waren und vergangene Träume in den letzten Schlücken der verkalkten Biergläser aufglommen, beschlossen den Abend mit 19 Cent Bier auf der verwilderten Dachterrasse eines 80 Stockwerke Mahnmals, dem größten der Stadt, zu verbringen. Zu dritt waren sie durch den Zaun geklettert und hatten sich durch das Gras einen Weg zu einem der Fenster auf der Rückseite gebahnt. Mit der Erfahrung unzähliger Einbrüche wurde der zugezimmerte Fensterschacht aufgebrochen und ins Innere geklettert. Das Licht der untergehenden Sonne drang gedämpft durch die Bretter und Löcher im Beton und bot ein gespenstisches Lichterspiel.

Ohne die Lichtspiele groß zu beachten wurde das vierte Bier geöffnet und auf den Abend angestoßen. Ein weiterer eingebildeter Kampf gegen die Obrigkeit und ihre längst zerfallene Macht war gewonnen und nun hieß es Kriegsbeute plündern. Spraydosen wurden ausgepackt um die vergilbten Wände mit pseudointelektuellen Sprüchen und Hasstiraden auf das System zu füllen. Ein paar Spraydosen und etliche Biere später waren sie auf dem Dach angekommen. Wo früher noch Afterwork-Partys gefeiert wurden, war heute nur noch der entfernte Krach der Kneipenschlägerein zu hören. Die zusätzlich einsetzende Dunkelheit welche nur von dem Licht des Mondes durchbrochen wurde schuf, in Verbindung mit den Ruinen um sie herum, eine Atmosphäre die jener aus den Endzeitfilmen der Stadt mit den großen Buchstaben zum Verwechseln ähnlich war.

Im Taumel des eingebildeten Sieges und vom Alkohol vernebelt wurde die bis tief in die Nacht gefeiert. Sie fühlten sich wie Don Quichotte – ohne jemals eine Windmühle gesehen zu haben. Sie dachten sie hätten den Krieg gewonnen, aber alles was sie geschafft hatten, war auf verbrannter Erde die Wahrheit durch Wahn und Manie in Alkohol zu ertränken. Die unvermeidbare Realität würde sie schneller einholen, als sie es sich hätten vorstellen können. Aber noch dachten sie etwas bewegen zu können. Eine Veränderung herbeizuführen. Das System von innen heraus zu stürzen. Aber ohne Perspektive, in einer Stadt ohne Zukunft, waren die Weichen schon gestellt bevor der Zug überhaupt den Bahnhof verlassen konnte.

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Der Spiegel

Der Blick führt in die Tiefe der Ungewissheit. Schmale nichts sagende Kanten verzieren eine fremde Landschaft. Eine Landschaft aus dichten Gräsern und steinigen Gebirgen. Ein erhellender Strahl aus Licht verirrt sich nur selten in jene Gebiete, welche von tiefer Trostlosigkeit bedeckt sind. Der schimmernde Glanz der Seen ist vollkommen erloschen. Ausgestorben und leer wird kein Ebenbild reflektiert. Es scheint, als würde Dunkelheit das ewige Leben zu Stein gemeißelt haben. Selbst ein Wimpernschlag besitzt weder die Kraft noch die Stärke, jenes schwarze Bild zu erhellen.

Wer bin ich? Ich bekomme keine Antwort. Tiefe Spalten lassen die Erde entreißen. Dichter Rauch legt sich über die Bergspitzen. Feurige Lava durchfließt den Erdkern und lässt den Boden erbeben. Die Flüsse werden unruhig, das Wasser steigt bedrohlich. Ein Sturm kommt auf – Lässt dichte Wälder entwurzeln und Fenster zu Glassplitter zerbersten. Die Gewalt der Natur hinterlässt ihre Spuren. Blutgetränkt liegen die Scherben am Grund. Eine gewaltige Zerstörung wohin das Auge nur blicken kann. Was mache ich hier? Noch immer bekomme ich keine Antwort.

Einzig und allein das helle Mondlicht zeichnet den Umriss der Landschaft. Die brennende Lava ist in den weiten Tiefen der Erde verschwunden. Der schwere Rauch zieht über die kantigen Berge, die Glut formt sich zu grauer Asche. Bitte hilf mir. Ich warte auf eine Antwort. Sekunden verstreichen. Minuten verstreichen. Es wird still. Tiefe Dunkelheit umgibt die Landschaft. Die Kraft des Windes schwindet dahin. Der Strom der Flüsse gibt nach und kommt letztlich zum Stillstand. Der Schleier der Finsternis fällt. Möge ich in Frieden ruhen.

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Ein Fehler

Wie die Brandung des Meeres dem Festland unermüdlich durch Landnahme bewusst machte, dass es immer noch da war, so kamen auch die Erinnerungen immer und immer wieder um ihm zu zeigen das sie nicht gehen würden. Erinnerungen an Zeiten die geprägt waren von Urlaub, Lachen und großen Kugeln Eis in noch größeren Waffeln. Erinnerungen an Zeiten die geprägt waren von langen Gesprächen und tiefen Wintern mit dunklen Nächten vor dem Kamin. Erinnerungen an Zeiten die geprägt waren von weißen Fluren und harten Stühlen. Erinnerungen an ein Leben das sein Leben maßgeblich geprägt hatte.

Erinnerungen an Zeiten im Sandkasten. An Burgen aus Sand und Playmobil-Ritter die sich gegen Drachen und Magier durchsetzten mussten. Erinnerungen an Sonnentage im Freibad. Mit Eis in der Hand auf der Wiese neben dem lebensgroßen Schachspiel. An die Angst vom 1-Meter Turm zu springen – nur um es dann Hand in Hand doch zu tun. Und danach immer wieder. Alleine. An simple Erklärungen für komplizierte Dinge. An ein strahlendes Lächeln.

Erinnerungen an die erste Liebe und die Taschentücher danach. An kraftvolle Worte. Gutes Schweigen. An das Knistern des Kamins. Erinnerungen an den ersten Kater und heilende Hausmedizin. An weniger telefonieren und mehr sagen. An schöne Urlaube und spontane Besuche. Erinnerungen an zweistellige Geburtstage und Piratenkuchen. An immer leckeres Essen. An kluge Ratschläge und Finanzspritzen. An offene Ohren.

An ein Lächeln. Erinnerungen an Wünsche und Wahrscheinlichkeiten. An Ausflüchte und Selbstbetrug. Erinnerungen an schwere Worte und langes Warten. An Hoffnungen und Seifenblasen. An ein mattes Lächeln. Erinnerungen an Realität und den stechenden Schmerz von Weiß in den Augen. An Tränen und Wahrheit. An schwache Umarmungen und leise Sätze. Erinnerungen an zitternde Hände und schwere Löffel. An desinfizierte Flure. An kahle Köpfe und leere Augen. An letzte Worte. An einsame Zimmer und letztendlich leere Betten.

Erinnerungen an ein Fehler. Eine Person. Ein Leben. An jemanden der nicht mehr da und gleichzeitig soviel mehr ist.

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Rotgeld-Rassler

Ziggi-Zombi, Coca-Curtis
Viele Namen für den einen
Rotgeld-Rassler an der Ecke
Dunkelgelb die Zähne scheinen

Ziggi fischt zu jeder Schicht
Mit Decke, Hut und klarem Korn
Aus großem Teich den kleinen Fisch
Er bettelt nicht, ist nie am schnorrn

Das rote Geld in seinem Hut
Ein Fegefeuer, heiße Glut
Verteufelt sei die Sammlerei
Doch niemals raubt man ihm den Mut

Mit großer Sorgfalt abgezählt
Die Münzen, stets nach Wert getrennt
Bei Gauloises die Brust gestählt
Im blauen Dunst, die Lunge brennt

Fleißig, immer fleißig weiter
Bis der Hut zu platzen droht
Drum tränkt er nun die nächste Bank
In rostig-kaltes Edelrot

Am Schalter wird er viel beäugt
Wie ein Schakal auf Beutezug
Das raue Fell leicht angebräunt
Tritt er nach vorn, mit Stolz und Hut

Die Blicke starr, weil er bald hält
Den Beutel voll mit frischem Geld
Der frische Druck, die feine Luft
Das Calvin Klein der neuen Welt

Applaus, Applaus, sie ziehen den Hut
Vor seinem Fleiß und all dem Mut
Man hat nun viel Respekt vor ihm
Nun Wer zu sein, das tut ihm gut

Doch gut ist es noch lange nicht
Das neue Leben, bald erwischt
Er sich bei seiner Gier nach mehr
Der Drang nimmt zu, der Glanz erlischt

Der Straßenduft zeigt wer er ist
Hat seinen alten Platz vermisst
Kauft Decke, Hut und klaren Korn
Schreibt auf sogleich, in roter Schrift

Ziggi-Zombi, Coca-Curtis
Viele Namen für den einen
Rotgeld-Rassler an der Ecke
Dunkelgelb die Zähne scheinen

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