Ertrunken

Das schummerige Licht aus den alten, mit Stoff überzogenen Lampen tauchten das in die Jahre gekommene Holz unter ihnen in einen warmen, verblassenden Gelbton. Die Finger und Handballen unzähliger Menschen hatten ihre Spuren hinterlassen und das ehemals gerade Stück Buchenholz am Rand mit tiefen Furchen überzogen. Der Rauch mehrere Jahrzehnte hing in der Luft und ließ dicke Schwaden langsam durch die praktisch stehende Luft ziehen. Unter dem schwachen Licht der mit Staub bedeckten Lampen saßen vereinzelt Menschen und schwadronierten über Situationen, Schicksalsschläge und andere Menschen.

Sie redeten vor sich hin und merkten nicht das ihnen niemand zuhörte. Es war ihnen aber auch nicht wichtig. Sie wiederholten ihre Geschichten jeden Abend. Für die immer gleichen Zuhörer – sich selbst. Mussten sich selbst reden hören. Immer und immer wieder. Wie ein Mantra. Wie eine Rechtfertigung. Wie eine Kapitulation vor der Situation. Vor der Tatsache nicht nein sagen zu können. Als Angst vor dem Eingeständnis das der Fehler bei ihnen und nicht den anderen lag.

Die Angst brachte sie Abend für Abend an die gleiche Ecke. Anstelle nach Hause zu gehen oder das was mal zuhause war, wurde die Einsamkeit der eigenen vier Wände gegen Anonymität getauscht und Eingeständnisse gegen verklärte Erinnerungen. Träume waren mal auf Bierdeckel gepinselt worden und verblassten im Laufe der Abende mit jedem Glas ein Stück mehr. Bis sie nicht mehr waren und vergessen wurden. Was blieb waren die von Feuchtigkeit aufgequollenen Bierdeckel und einsame rote Nasen unter staubigen Lampen auf der Suche nach längst verblassten Träumen auf den Böden der kalkigen Gläser.

Der Verlust von Familie, Freunden und Leben wurde durch jede neue Runden etwas mehr aufgeweicht und wie der Schaum im Bart irgendwann einfach weggewischt. Sie sahen ihre durch krude Gedanken verklärte Welt auf eine ganz eigene Art als normal an. Wärme kam nicht länger durch andere Menschen sondern durch das Brennen im Magen und der Verlust von Leben manifestierte sich in den gläsernen Zeptern die sie bis spät in die Nacht fest in der Hand hielten.

Die Angst vor dem Eingeständnis der eigenen Fehlbarkeit hatten dazu geführt, dass sie ihre Träume und ihr Leben schon vor langer Zeit ertränkt hatten. Nur hatte sie der Tod in ihrer Einsamkeit einfach übersehen.

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