Die Zoohandlung

Ben war nicht zum ersten Mal in seinem Leben in einer Zoohandlung. Früher war er öfter hier gewesen, nie ganz aus freien Stücken, aber es gibt Menschen, von denen wohl manche zu seinem erweiterten Freundeskreis zu zählen sind, die halten das Schlendern durch eine Zoohandlung für eine legitimierte und unterhaltsame Tätigkeit um Zeit totzuschlagen.

[H]eute war er zum ersten mal mit einer ernsthaften Kaufabsicht in die Zoohandlung gekommen und studierte daher aufmerksam das Sortiment. Die Schildkröten hatten es ihm angetan und es gab hier sehr viele von ihnen kleine, große, zu Lande und zu Wasser doch sie sprengten sein Budget und waren auch so gänzlich ungeeignet für den betreffenden Zweck.

Was Ben suchte war ein Geschenk, ein Kombigeschenk, und dieses Geschenk war mit Anforderungen verbunden, die nicht von jedem Tier so ohne weiteres zu erfüllen waren. Die primäre Aufgabe sollte sein das seine Freundin sich darüber freuen können sollte, da es ihr Geburtstagsgeschenk werden sollte. Doch wäre dies die einzige Anforderung gewesen so hätte er sich dafür nicht schon seit einer geschlagenen Stunde in diesem nach Fischfutter und Streu riechendem Etablissement aufgehalten. Natürlich sollte das Ganze nicht zu teuer sein, er war schließlich lediglich Student, aber erstens liegt in Liebesdingen die finanzielle Schmerzgrenze von Natur aus etwas höher und Zweitens würde es für eine lange Zeit oder vielleicht sogar für immer das Letzte sein was er ihr schenken würde.

Aber genau hier lag das Problem er wollte ihr nicht nur ein formidables Geburtstagsgeschenk machen, sondern ihr eben auch etwas schenken was ihr über die bald darauf folgende Trennung hinweghelfen sollte. Daher hatte er sich für ein Tier entschieden. Es sollte eher klein als groß sein, da auch sie keine Villa bewohnte und es müsste niedlich sein. Man sollte damit reden können, so das man sich einbilden kann es würde zuhören und es dürfte nicht zu viel Arbeit verursachen. Die Lebenszeit sollte nicht mehr als drei Monate betragen, da es sie sonst zu lange an ihn erinnern könnte, aber sie dürfte nicht wissen das es schon so bald stirbt.

Er ging zum Mädchen hinter der Theke und lächelte sie an „Ich suche nach einem sehr alten Zwerghamster“; „Einem Roborowski Zwerghamster oder einem Dsungarischen Zwerghamster?“ fragte sie lächelnd zurück. „Welcher stirbt denn schneller?“ Ihr Lächeln erstarb, in routinierter Verkäuferinnen Stimmer fuhr sie fort: „Also ein Roborowski Zwerghamster wird eineinhalb bis drei Jahre alt während ein Dsungarischer Zwerghamster eineinhalb bis zweieinhalb Jahre alt wird“. „Und sie haben ein paar ältere Hamster da?“ fragte er bemüht freundlich nachdem sie die Erwähnung nach dem Haltbarkeitsdatum von Zwerghamstern doch sichtlich in die Opposition gebracht hatte.

Ich hätte einen fast dreijährigen Roborowski den keiner mehr kaufen will weil er schon so alt ist und einen eineinhalbjährigen Dsungarischen“ antwortete sie mit einem süffisanten Lächeln durch das er sich im ersten Moment irgendwie ertappt fühlte.

Ganz der Mann der sich schon wieder fast in der Vorhölle des freien und glücklichen Singledaseins wähnte versuchte er natürlich gönnerhaft die junge Verkäuferin für sich einzunehmen. „Ich nehme den Roborowski, ich möchte ihm noch wenigstens drei gute Monate schenken. Die hat sich der alte Junge doch verdient.“ So erwarb Ben an diesem Tag einen Roborowski Zwerghamster und die Zuneigung einer jungen Frau mit der er sich bald, in zwei Wochen, wenn er sich von seinen selbstgeschmiedeten Fesseln befreit hätte, wiedertreffen wollte.

Das Geschenkt war ein voller Erfolg und seine Freundin baute schon innerhalb der ersten Woche eine intensive Beziehung zu ihrem Zwerghamster auf, doch war sein Herz leider schwächer gewesen als er es sich von diesem tapferen kleinen Roborowski Zwerghamster erhofft hatte. Er verstarb nach zwei Wochen und statt Milchkaffe trinkend mit der jungen Verkäuferin verbrachte er die nächsten Wochen damit seine Freundin seiner Liebe zu versichern und über einen Verlust hinwegzutrösten, der doch sie hätte trösten sollen wenn er seine Zelte längst abgebrochen hätte.

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Ein Milchkaffee

Ein Café. Frühling. Spätnachmittag. Die untergehende Sonne spiegelte sich sanft in der Fensterfläche und tauchte ihre Erscheinung in eine Mischung aus Gold und Gelb. Honig. Die Augen immer mal wieder leicht zusammengekniffen von den Strahlen der Sonne so dass er ihre tiefen braunen, oder waren es grüne, Augen kaum noch erkennen konnte, umspielte ein verschmitztes Grinsen ihren Mund. Hoffnung stieg in ihm auf. Sie lächelte. Der Witz war angekommen. Er gönnte sich einen Schluck von seinem Milchkaffee. Er trank nur wenig, da jedes Anheben der Tasse damit verbunden war, dass er ihr Gesicht für wenige Sekunden aus seinem Blickfeld verlor.

Das Gespräch entwickelte sich von selbst. Arbeit. Studium. Belanglosigkeiten. Er genoss es. Hörte zu. Erwiderte. Machte Witze. Immer wieder konnte er ein Lächeln auf ihre Lippen zaubern. Ihr Lachen. Strahlend. Offen. Ehrlich. Der Kaffee war langsam kalt. Er hatte ihn total vergessen. Er erzählte von seinem Studium. Was er danach vorhatte. Erst einmal ins Ausland, das macht man heute ja so. Wohin? Er wusste es nicht. Er sagte: einfach raus. Neues kennen lernen. Sie lächelte. Sie kannte das Gefühl. Er dachte: oder aber hier bleiben. Bei ihr. In dieser Sekunde. Diesem Moment. Er sprach es nicht aus. Kaffee.

Die Sonne verschwand hinter den Häusern in seinem Rücken und gab die Fensterfront frei. Er blickte in ein Café voller Menschen. Geschäftspartner. Freunde. Pärchen. Ihr Gesicht verschwamm in der Unschärfe des Vordergrunds. Im Innenraum wechselte ein Stück Kuchen auf einer Gabel die Tischseiten. Anfangsstadium. Glück. Er löste seinen Blick und sah sie an. Sie hatte kurz ihr Handy rausgeholt. Bestimmt nur die Uhrzeit. Wollte sie los? Kurz ein Schluck Kaffee. Mittlerweile kalt. Er atmete tief durch und nahm all seinen Mut zusammen. Du sag mal, setzte er an. Im selben Moment hörte er sie sagen: Mein Freund hat gerade… Oh entschuldige du wolltest was sagen? Er wusste es. Trotzdem. Leere. Ach nichts, hörte er sich sagen. Hob seine Tasse und trank in Ruhe seinen Kaffee aus.

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